Das Bundesinnenministerium hält den Vorschlag des CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz, Straftätern mit Doppelpass die deutsche Staatsbürgerschaft zu entziehen, für rechtlich fragwürdig. "Ein Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit allein aufgrund des Verstoßes gegen Strafvorschriften wäre mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben" nicht vereinbar, sagte ein Ministeriumssprecher.
Wenn einem Kriminalitätsphänomen mit dem vorhandenen rechtsstaatlichen Instrumentarium begegnet werden könne, stelle sich die Aberkennung der Staatsangehörigkeit nicht als "verhältnismäßiges Mittel" dar. In Artikel 16 Absatz 1 Grundgesetz heißt es: "Die deutsche Staatsangehörigkeit darf nicht entzogen werden. Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird."
Kritik von anderen Parteien
Der Unionskanzlerkandidat hatte der Welt am Sonntag gesagt, die von der Ampelkoalition beschlossene doppelte Staatsbürgerschaft sollte nicht der Regelfall sein, sondern künftig wieder auf begründete Ausnahmefälle beschränkt werden. "Wir holen uns damit zusätzliche Probleme ins Land", sagte Merz. "Es müsste wenigstens auf der gleichen Ebene eine Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft möglich sein, wenn wir erkennen, dass wir bei straffällig werdenden Personen einen Fehler gemacht haben."
Die Aussagen stießen auf viel Kritik. Merz mache damit aus eingebürgerten Menschen "Bürger zweiter Klasse", sagte SPD-Chefin Saskia Esken dem Stern. Auch Grüne und Linke kritisierten Merz. Die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) findet den Vorschlag des CDU-Chefs unangemessen – besonders vor dem Hintergrund der Zunahme von Straftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund. "In guten Zeiten sind wir Deutsche mit allen Rechten und Pflichten, in schlechten Zeiten lässt der Staat uns fallen wie heiße Kartoffeln", sagte der TGD-Vorsitzende, Gökay Sofuoglu. Menschen mit Migrationsgeschichte würden dadurch zu Deutschen "auf Bewährung".
Debatte um Doppelpass
Derweil forderten weitere CDU-Politiker eine Rückabwicklung der Staatsangehörigkeitsreform. Damit habe die im November gescheiterte Koalition "das Land gespalten", sagte Unionsparlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei (CDU). "Die geringen Voraussetzungen, die seit der letzten Reform für den Erwerb gelten, führen in den Augen vieler Menschen nicht zu mehr Zusammenhalt", sagte Frei.
Daher sei es für die Union "eines der wesentlichen Ziele, den falschen Weg der Ampel-Parteien beim Staatsangehörigkeitsrecht zu beenden", sagte Frei. "Die von der 'Ampel' zu verantwortende generelle Hinnahme der Mehrfachstaatsangehörigkeit ist ein ideologischer Irrweg und für die Integration in unserem Land ein Hindernis."
14 Kommentare
Rambazamba.
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Ich verstehe all diese Ablehnung nicht. Was ist daran schlimm, wenn ein Mensch zwei Staaten seine Heimat nennen will? Warum soll man all das aufgeben, was man kennt, nur um sich hier anbiedern zu dürfen?
Merz zielt wissentlich zwar nur auf den lächerlich kleinen Teil möglicherweise abzuschiebender Gewaltstraftäter ab, die, wenn sie nicht ganz dumm sind, auch keine doppelte Staatsbürgerschaft mehr haben oder ihre alte aufgäben, wenn die Rückabwicklung käme.
Er verunsichert damit aber auch möglicherweise interessierte der Arbeit halber migrierende Hochqualifizierte. Wenn die sich nicht mal mehr bei der Staatsbürgerschaft auf eine Kontinuität über zwei Legislaturperioden verlassen können, worauf denn dann noch? Denn wer weiß, ob es bei dem Ruf nach Entzug der doppelten Staatsbürgerschaft nur bei Straftätern nach der nächsten Wahl bleibt?
Bei uns im Fußballverein wurde von 15 Jahren mal in der Kabine geklaut, als ich in der B-Jugend war. Es wurden sofort die drei türkischstämmigen Jugendlichen verdächtig. Die haben nur gelacht und damals gesagt: Beim Tor sind wir Deutschtürken und wenn geklaut wird sind wir die Kan*ken. Aber Deutsche sind wir hier nie. Ich kann den Kommentar der Verbandsprecherin wirklich fühlen.
Boltoo
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Auch die Verfassung kann irgendwann geändert werden, wenn RotGrün weiter an der Verstärkung der Rechten arbeitet.
Österreich sollte uns als Warnung dienen.
bleaksocial_
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Mir vollkommen Wumpe wer das gesagt hätte: Es ist richtig.
Die USA haben mit ihrem klassischem "Americans by birth and by choice" nicht das schlechteste System. Und die Leute wollen unbedingt Amerikaner durch Einbürgerung werden.
"Benny "
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Das weiß Black Merz doch selbst. Falschaussagen sind aber nur vor Gericht strafbar. Nicht von Leuten, die Steuergelder abgreifen für politische Arbeit im Rahmen des Grundgesetzes. Da fährt er seinen Stiefel; gern außerhalb der gesetzlichen Regeln. Und der Bezahler findet es gut (?!).
Trumping eben ...
NutzernameBereitsVergeben
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Im Gegensatz zu Einbürgerungsbewerbern wird von Kanzlerkandidaten halt leider kein Nachweis über Wissen zum Grundgesetz gefordert.
Don Hesse
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Wir haben Gewaltenteilung.
Sollte es zu einem Gesetz zum Entzug der Staatsangehörigkeit kommen, entscheidet nicht das Innenministerium von Frau Faeser, sondern das Bundesverfassungsgericht darüber, ob das Gesetz verfassungskonform ist oder nicht.
felsman
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Ok, das mag korrekt sein. Dass einige deswegen "staatenlos" sind, weil die eigene Herkunft verschleiert wird, muss man dann wohl hinnehmen.
alice_42
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>> "Die von der 'Ampel' zu verantwortende generelle Hinnahme der Mehrfachstaatsangehörigkeit ist ein ideologischer Irrweg ... <<
Ja sicher. Ideologie ist ja immer das, was die anderen wollen.
Und da ich auf der ganz anderen Seite stehe, stelle ich fest, dass es die Union ist, die sich hier im Gefolge der AfD auf ideologische Irrwege nach rechtsaußen begibt.
Scheinlösungen für Scheinprobleme, mehr haben die nicht anzubieten - das gilt für die AfD ohnehin, das gilt für die Union nicht weniger, wenn sie meint, sie könnte sich dort die Inhalte abschauen.
Und da die Union auch nicht auf ein Verbotsverfahren setzt, kann sie über die Grenze Richtung Österreich in die eigene Zukunft schauen: wer den Rechtsextremen nachläuft, endet als deren Fußabstreifer.